Nachdem das am 1. Mai 2016 in Kraft getretene FüPoG I erste positive Auswirkungen auf die Anzahl von Frauen in Leitungspositionen in Deutschland, insbesondere in Aufsichts- und Verwaltungsräten zeigte, beschloss der Gesetzgeber noch in der letzten Amtsperiode, die Vorgaben zur Steigerung des Frauenanteils in Führungspositionen zu verschärfen.
Das (in Teilen bereits) seit dem 12. August 2021 geltende Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschat und im öffentlichen Dienst (sog. Zweites Führungspositionen-Gesetz / FüPoG II) stellt die Verwirklichung des gesetzgeberischen Willens zur Erreichung der Gleichberechtigung dar. Das FüPoG II erhöht umfassend die Anforderungen an Unternehmen der Privatwirtschaft, Unternehmen mit einer Mehrheitsbeteiligung des Bundes, Körperschaften im Bereich der Sozialversicherung sowie für den öffentlichen Dienst, betreffend die Einbeziehung von Frauen in Führungspositionen.
Die verbindlichen Vorgaben zur Einhaltung einer Geschlechterquote bei der Besetzung von Führungspositionen sind nunmehr seit dem 1. August 2022 in Kraft.
Nachfolgend erhalten Sie einen kurzen Überblick über die nunmehr geltenden Vorgaben für betroffene Unternehmen – in Abhängigkeit von der Gesellschaftsform und der Form der Unternehmensmitbestimmung – sowie über die wesentlichen Konsequenzen bei einem Verstoß gegen die Vorschriften des FüPoG II.
Börsennotierte und gleichzeitig mitbestimmte AG und SE (d.h., die zusätzlich zur Börsennotierung dem MitbestG, Montan-MitbestG oder dem MitbestErgG unterfallen) haben die strengsten Geschlechterquoten innerhalb ihrer Führungsebenen einzuhalten. Von dieser seit dem 1. August 2022 geltenden Vorgabe sind derzeit 105 Unternehmen betroffen.
Bei Leitungsgremien, die aus mehr als drei Personen bestehen, gilt nunmehr die Verpflichtung, dass mindestens eine Frau bzw. einen Mann Mitglied des Organs ist (§ 76 Abs. 3a AktG, § 16 Abs. 2 SEAG, § 40 Abs. 1a SEAG). Wird bei der Bestellung eines neuen Mitglieds zukünftig gegen dieses Beteiligungsgebot verstoßen, so ist die Neubestellung nichtig. Bei einer gleichzeitigen Bestellung mehrerer Vorstandsmitglieder en bloc, wonach die Zusammensetzung nicht den Vorgaben der Geschlechterquote entspricht, ist die en bloc-Bestellung insgesamt nichtig.
Die Anforderung, mindestens eine Frau bzw. einen Mann in dem Vorstand bzw. als Direktor zu haben, ist keine variable Beteiligungsquote, d.h. sie steigt nicht zunehmender Anzahl an Sitzen. Sie gilt überdies unabhängig davon, welche Anzahl an Mitgliedern die Satzung für das Leitungsorgan vorschreibt; entscheidend ist allein die tatsächliche Ist-Besetzung des Organs. Zudem gilt, dass zum Stichtag bereits bestehende Mandate bis zu ihrem vorgesehenen Ende wahrgenommen werden.
Die Vorgabe komplementiert die Geschlechterquote für Gesellschaften, die bereits nach (den durch das FüPoG I geschaffenen) § 96 Abs. 2 AktG, § 24 Abs. 3 SEAG bei der Besetzung des Aufsichts- bzw. Verwaltungsrats eine verbindliche Geschlechterquote zu beachten haben. Hier ist bereits eine Geschlechterquote von 30 % der Mitglieder vorgesehen, die auf eine volle Personenzahl auf- bzw. abzurunden ist. Diese Mindestquote ist durch den gesamten Aufsichts-/Verwaltungsrat als Organ zu erfüllen, wenn nicht die Anteilseigner oder die Arbeitnehmerseite vor der jeweiligen Wahl dieser Gesamterfüllung widersprechen. Für den Fall, dass widersprochen wurde, hat jede Seite die Mindestquote von 30 % für diese Wahl gesondert zu erfüllen (sog. Getrennterfüllung). Bei Nichteinhaltung dieser Vorgaben ist die Wahl des neuen Aufsichtsrats-/Verwaltungsratsmitgliedes nichtig (§ 250 Abs. 1 Nr. 5 AktG, § 40 Abs. 1 S. 1a) SEAG).
Ist ein Unternehmen börsennotiert oder mitbestimmt (nach dem MitbestG, Montan-MitbestG, MitbestErgG oder dem DrittelbG), so verbleibt diesem zur Gestaltung der Geschlechteranteile innerhalb der Leitungsebenen ein größerer Spielraum. Die betroffenen Gesellschaften haben sowohl für ihren Vorstand bzw. ihre Geschäftsführung, ihren Aufsichts-/Verwaltungsrat, als auch für die zwei ersten Führungsebenen weitgehende Freiheit in der Determinierung einer Geschlechterquote. Selbst eine Quote von Null ist weiterhin möglich.
Verpflichtend ist gleichwohl die Festlegung einer Zielgröße für den Frauenanteil für die jeweiligen Gesellschaftsorgane (§ 76 Abs. 4 AktG, § 52 Abs. 2 GmbHG, § 111 Abs. 5 AktG, § 36 GmbHG, § 52 Abs. 2 GmbHG). Hierbei müssen die angegebenen Prozentzahlen einer vollen Personenzahl entsprechen. Wenn die Zielgröße unter 30 % liegt, gilt ein Verschlechterungsverbot. Das heißt, dass eine einmal erreichte Zielgröße unterhalb der 30 % Grenze nicht mehr unterschritten werden kann. Es ist zudem eine Frist zur Erreichung der Zielgröße festzulegen, wobei diese nicht mehr als fünf Jahre betragen darf. Die Pflicht zur Zielgrößensetzung für den Vorstand einer Aktiengesellschaft entfällt, wenn für den Vorstand nunmehr die verbindliche Geschlechterquote nach § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG bereits greift (siehe Ziffer I).
In Anbetracht der Intention des Gesetzgebers, den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern, soll die Zielgröße „Null“ die Ausnahme bleiben. Bei der Festlegung einer Zielgröße Null besteht daher eine besondere Begründungspflicht. Das zuständige Organ hat in einem solchen Fall den entsprechenden Beschluss „klar und verständlich“ zu begründen und ausführlich die Erwägungen darzulegen, die der Entscheidung für die Zielgrößenfestsetzung auf „Null“ zugrunde liegen.
Die Begründung muss erkennen lassen, welche Umstände der Vorstand bzw. der Aufsichtsrat gewürdigt und wie er sie gewichtet hat. In jedem Fall muss sie so ausgestaltet sein, dass sie als Grundlage der Angaben in der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 29f HGB) eine gewissenhafte Entscheidung für die Öffentlichkeit plausibel macht. Eine solche „Null“-Quote kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die in Frage kommenden Positionen bereits ausschließlich mit Personen männlichen Geschlechts besetzt sind und innerhalb der Frist für die Zielerreichung keine Vertragsbeendigung, kein Abgang oder Wechsel ansteht oder abzusehen ist. Ferner dürften Ausführungen zu Personalstruktur und -strategie, Maßnahmen zur Personalgewinnung und die Beteiligung von Personalvertretern, insbesondere aus dem Bereich Gleichstellung, oder Bezüge zum Gesamtkonzept der Frauenförderung im Unternehmen sinnvoll sein. Verpflichtend sind diese Angaben aber nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll im Regelfall eine Begründung von 100 bis 150 Wörtern ausreichend sein.
Bei börsennotiert oder paritätisch mitbestimmten Aktiengesellschaften ist der Aufsichtsrat für die Festlegung von Zielgrößen im Aufsichtsrat und im Vorstand zuständig (§ 111 Abs. 5 AktG), während der Vorstand diese Pflicht für die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands (§ 76 Abs. 4 AktG) einzuhalten hat. Entsprechendes gilt für die mitbestimmte GmbH (vgl. § 52 Abs. 2 GmbHG).
Der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben, der gewählten Zielgröße und ggf. die Begründung der Nichteinhaltung oder Festsetzung einer Zielgröße Null muss in die Erklärung zur Unternehmensführung aufgenommen werden (§ 289f Abs. 2 HGB). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann zur Verhängung eines Bußgeldes führen (§ 334 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 3a HGB). Das Unterlassen der Festlegung oder Begründung einer Zielgröße sowie das Unterlassen der Fristsetzung stellt eine Zuwiderhandlung dar, die ebenfalls zur Bußgeldverhängung führen kann (§ 334 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB).
Zudem hat das FüPoG II bereits mit seinem Inkrafttreten die Möglichkeit für einen vorübergehenden Widerruf der Bestellung aus persönlichen Gründen („Stay on Board“) eingeführt.
Ein Vorstandsmitglied eines Unternehmens mit einem mit mehreren Personen besetzten Vorstand kann nach § 84 Abs. 3 AktG auf Antrag – ungeachtet einer Börsennotierung oder Unternehmensmitbestimmung – den Aufsichtsrat um Widerruf der Bestellung ersuchen, wenn es wegen Mutterschutz, Elternzeit, Krankheit oder Pflege eines Familienangehörigen den mit der Bestellung einhergehenden Pflichten nicht mehr nachkommen kann.
Im Falle von Mutterschutz hat der Aufsichtsrat dem Verlangen nachzugeben und eine Wiederbestellung nach Ablauf der gesetzlichen Schutzfristen zu garantieren. In den übrigen Fällen können ein Widerruf und eine gesicherte Wiederbestellung nach bis zu drei Monaten erfolgen. Der Aufsichtsrat darf den Antrag auf Widerruf durch das Vorstandsmitglied nur aus wichtigem Grund verweigern. Zudem ist eine Verlängerung der Auszeit auf bis zu zwölf Monate durch den Aufsichtsrat möglich.
Der Zeitraum der vorübergehenden Auszeit hat keine Auswirkungen auf das Ende der ursprünglich vereinbarten Amtszeit. Während der Auszeit gelten die gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen an die Mindestzahl an Vorstandsmitgliedern weiterhin als erfüllt (§ 84 Abs. 3 Satz 6 f. AktG), sofern diese Vorgaben ohne den Widerruf eingehalten wären. Auch das nunmehr verbindliche Beteiligungsgebot von mindestens einem weiblichem und einem männlichen Vorstandsmitglied nach §§ 76 Abs. 3a, 393a Abs. 2 Nr. 1 AktG findet keine Anwendung, sofern es ohne Widerruf erfüllt wäre (§ 84 Abs. 3 Satz 8 AktG).
Entsprechende Regelungen sind für Geschäftsführer einer GmbH und (§ 38 Abs. 3 GmbHG) und für geschäftsführende Direktoren einer monistischen SE (§ 40 Abs. 6 SEAG) vorgesehen; nicht dagegen für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitglieder.
Link zu dem Gesetztext: Bundesgesetzblatt (bgbl.de)