Neues zu Sozialplanabfindungen und Klageverzichtsprämien

Geschrieben von

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Dr. Artur-Konrad Wypych

Partner
Deutschland

Als Partner in der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in unserem Düsseldorfer Büro berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Die Betriebsparteien vereinbarten im Zusammenhang mit einer Werkschließung einen Sozialplan.

Darüber hinaus wurde eine ergänzende Betriebsvereinbarung für eine Klageverzichtsprämie abgeschlossen, welche den Faktor, der der Berechnung der Sozialplanabfindung zugrunde zu legen war, um 0,25 Punkte erhöhte.

Nach seinem Ausscheiden erhielt ein vom Arbeitsplatzverlust betroffener Arbeitnehmer eine Abfindung auf Basis des Sozialplans in Höhe des maximalen Höchstbetrags von EUR 75.000,00. Eine Klageverzichtsprämie erhielt er trotz Absehen von der Kündigungsschutzklage nicht. Anschließend begehrte er in dem Rechtsstreit die Zahlung einer höheren Sozialplanabfindung sowie zusätzlich der Klageverzichtsprämie. Dabei machte er geltend, dass die Höchstbetragsregelungen des Sozialplans eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellen und zudem nicht auf die Klageverzichtsprämie Anwendung finden würden. 

Keine unzulässige Benachteiligung durch Höchstbetragsregelungen

Sozialpläne stellen eine Vereinbarung zwischen den Betriebsparteien dar, welche im Falle einer Betriebsänderung (i.S.v. § 111 S. 3 BetrVG) die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen oder jedenfalls abmildern sollen (vgl. § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Die zukunftsgerichteten Leistungen haben vor dem Hintergrund der potenziellen mit einer Betriebsänderung einhergehenden Nachteile eine Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion inne, wobei keine vollständige Kompensation der wirtschaftlichen Nachteile erfolgen muss. Die Sozialplanabfindung wird üblicherweise nach der folgenden Formel berechnet „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor“. Oftmals werden für die besonderen Erschwernisse zusätzliche Abfindungsbeiträge, z.B. bei Schwerbehinderung oder Unterhaltsverpflichtungen, gewährt. Um eine gerechte Verteilung der Überbrückungshilfe an betroffene Arbeitnehmer sicherzustellen und das Finanzvolumen sinnvoll auszuschöpfen, wird häufig eine Höchstbetragsklausel (auch Kappungsgrenze) vereinbart. Durch diese wird die Sozialplanabfindung auf einen Betrag begrenzt.

Das BAG geht davon aus, dass bei Vereinbarung einer Höchstbetragsklausel keine unmittelbare Benachteiligung i.S.v. § 1 Abs. 1 AGG vorliege, da diese altersunabhängig gelte. Sie stelle ferner auch keine unzulässige mittelbare Benachteiligung durch Altersdiskriminierung nach § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG oder § 3 Abs. 2 AGG dar, da die Ungleichbehandlung gerechtfertigt sei. Danach stehe dem klagenden Arbeitnehmer keine über den Höchstbetrag hinausgehende höhere Sozialplanabfindung zu. 
Begründet wird dies mit dem objektiven und rechtmäßigen Ziel der Höchstbetragsklausel, der Sicherstellung der Verteilungsgerechtigkeit, welche die Anforderungen eines „legitimen Ziels“ i.S.v. § 10 S. 1 AGG erfülle. Damit solle das begrenzte Finanzvolumen auf alle betroffenen Arbeitnehmer gerecht verteilt werden. Die Höchstbetragsklausel beschränke sich dabei auf die Begrenzung der berechneten Gesamtabfindung für die Arbeitnehmer. Letztlich sei diese auch geeignet, erforderlich und angemessen, da sie so gewährleistet, dass die wirtschaftlichen Nachteile betroffener Arbeitnehmer durch die limitierten Finanzmittel abgefangen oder jedenfalls gemildert werden. Es liege keine mittelbare Benachteiligung vor, wenn die Nachteile der Betriebsänderung spürbar abgemildert werden und die Begrenzung den besonderen Umständen des Alters und der Betriebszugehörigkeit Rechnung trage. Ob diese Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt werden, bedürfe einer Abwägung im Einzelfall. 

Zulässigkeit von Klageverzichtsprämien und Unabhängigkeit von Höchstbetragsklauseln

Das BAG entschied zudem, dass dem Arbeitnehmer trotz Überschreitung der Höchstbetragsregelung die Klageverzichtsprämie zustehe. Der Anspruch auf Zahlung der Klageverzichtsprämie ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung. Die Höchstbetragsregelung des Sozialplans sei darauf nicht anwendbar. 

Die Klageverzichtsprämie stellt einen besonderen finanziellen Anreiz für den Klageverzicht des Arbeitnehmers dar und soll grundsätzlich den Abfindungsbetrag erhöhen. Der Sinn und Zweck einer solchen Klageverzichtsprämie würde unterlaufen, wenn die Anwendung der Höchstbetragsregelungen dazu führe, dass der finanzielle Vorteil eingeebnet werde. Auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen der Klageverzichtsprämie und der Sozialplanabfindung ergäben, dass eine getrennte Betrachtung vorgesehen sei. Die Sozialplanabfindung nenne ausdrückliche alle Faktoren, die in die Gesamtabfindung einfließen, wobei die Klageverzichtsprämie nicht genannt wird. Ferner seien die Leistungen bereits im Vorhinein in zwei verschiedenen Betriebsvereinbarungen geregelt gewesen.

Das BAG erläutert, dass Leistungen, die dem Ausgleich oder der Abmilderung einer Betriebsänderung und seinen wirtschaftlichen Nachteilen dienen (d.h. im Sozialplan), nicht vom Verzicht der Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden dürfen. Zulässig hingegen seien freiwillige, kollektivrechtliche Regelungen zwischen den Betriebsparteien, die dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, die Planungssicherheit für seinen Betrieb durch die Gewährung von finanziellen Leistungen an seine Arbeitnehmer zu sichern, indem ein potenzielles gerichtliches Vorgehen gegen eine Kündigung unterbunden wird. Dies findet sich wiederum im Sinn und Zweck der Klageverzichtsprämie wieder. Eine andere Beurteilung würde überdies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Wenn Höchstbetragsregelungen auf Klageverzichtsprämien Anwendung finden, habe dies zur Folge, dass Arbeitnehmer, deren Gesamtabfindungen an der Kappungsgrenze liegen, ungleich gegenüber solchen Arbeitnehmern behandelt werden, welche eine geringere Gesamtabfindung erhalten. 

Letztlich sei zu beachten, dass die Vereinbarung einer Klageverzichtsprämie nicht wegen eines Verstoßes gegen § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG unzulässig sei. Nach dem BAG greife das Verbot nur dann, wenn die Funktion des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG beeinträchtigt werde und der Sozialplan keine hinreichend angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer vorsehe. Den Betriebsparteien stehe hierbei ein weiter Ermessensspielraum in Bezug auf die Entscheidung zu, ob, in welchem Umfang und wie sie die prognostizierten wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen oder mildern wollen. Im konkreten Fall sei nicht ersichtlich, dass durch die Vereinbarung der Klageverzichtsprämie dieses Verbot umgangen wird. 

Praktische Auswirkungen

Das BAG bestätigt, dass Höchstbetragsklauseln grundsätzlich zulässig sind und keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer, bei denen solche in Anbetracht der üblichen Berechnung von Sozialplanabfindungen unter Einbeziehung der Betriebszugehörigkeit häufiger Anwendung finden, darstellen. Allerdings wird dafür vorausgesetzt, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer wenigstens spürbar abgemildert werden und die Faktoren Alter und die Betriebszugehörigkeit angemessen berücksichtigt werden.

Ferner räumt das BAG die bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Zulässigkeit von Klageverzichtsprämien in ergänzenden Betriebsvereinbarungen aus. Klageverzichtsprämien können in zulässiger Weise in zusätzlichen, freiwilligen Betriebsvereinbarungen neben einem Sozialplan vereinbart werden. Nur dann ist kein Verstoß gegen das Verbot, Sozialleistungen von einem Verzicht auf Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, zu sehen. Allerdings ist bei der Vereinbarung einer Klageverzichtsprämie darauf zu achten, dass diese nach ihrem Sinn und Zweck nicht durch Höchstbetragsklauseln begrenzt werden können. Eine andere Beurteilung verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG. 

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