Bereits im Februar entschied das BAG, dass der Anspruch einer Frau auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht mit dem Argument besserer Gehaltsverhandlungen eines männlichen Kollegen umgangen werden kann.
Die unterdessen veröffentlichten Urteilsgründe geben Hinweise, welcher Argumentationsspielraum Arbeitgebern verbleibt, um die Vermutung einer geschlechtsbezogenen Entgeltbenachteiligung zu widerlegen.
Erste Voraussetzung des Gebots der Entgeltgleichheit ist, dass zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben. Während eine gleiche Arbeit voraussetzt, dass an verschiedenen Arbeitsplätzen oder nacheinander an demselben Arbeitsplatz eine identische oder gleichartige Tätigkeit ausgeübt wird (§ 4 Abs. 1 EntgTranspG), ist von einer gleichwertigen Arbeit auszugehen, wenn Beschäftigte unter Zugrundelegung einer Gesamtheit von Faktoren als in einer vergleichbaren Situation befindlich angesehen werden können (§ 4 Abs. 2 EntgTranspG). Zu dieser Gesamtheit von Faktoren zählen die Art der Arbeit, der Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen.
Im entschiedenen Fall stellte das BAG fest, dass eine gleiche Tätigkeit vorlag. Beide Personen waren im Vertriebsaußendienst beschäftigt und hatten die gleichen Verantwortlichkeiten und Befugnisse. Die Personen hatten sich zudem gegenseitig vertreten, ohne dass es einer gesonderten Einweisung bedurft hätte. Die von der beklagten Arbeitgeberin gegen eine Gleichartigkeit vorgebrachten Argumente überzeugten das BAG nicht. Unterschiedliche Kunden- und Produktzuständigkeiten der Personen hielt das BAG nicht für bedeutsam, weil die Arbeitgeberin nicht dargelegt hatte, welche Auswirkungen diese Zuständigkeiten auf die Vertriebstätigkeiten und Anforderungen gehabt hätten. Eine unterschiedliche Ausbildung beider Personen wertete das BAG auch nicht gegen eine Gleichartigkeit, weil für die Vertriebsaußendiensttätigkeit keine bestimmte Berufsausbildung gefordert worden sei.
Auch sofern eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit vorliegt, lässt das BAG-Urteil weiterhin Spielraum für eine Argumentation gegen die Vermutung der Entgeltungleichbehandlung wegen des Geschlechts. Der insofern beweisbelastete Arbeitgeber kann sich indes nicht mit allgemeinen Behauptungen, sondern nur mit konkreten Differenzierungsgründen gegen die Vermutung wehren.
Ein potentielles Argument für eine zulässigerweise unterschiedliche Vergütung sieht das BAG in dem Umstand, dass die Vereinbarung eines höheren Gehalts mit der Vergleichsperson aufgrund der Arbeitsmarktlage erforderlich war, um eine offene Stelle mit einer geeigneten Arbeitskraft zu besetzen.
Zudem erkennt das BAG eine bessere Qualifikation der besser vergüteten Person als Differenzierungskriterium an. Dabei nennt das BAG unter Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung ausdrücklich neben der fachspezifischen Ausbildung auch die einschlägige Berufserfahrung im Zeitpunkt der Einstellung. Eine höhere Berufserfahrung befähige Arbeitnehmer in der Regel zur besseren Verrichtung ihrer Arbeit. Im entschiedenen Fall hatte die Arbeitgeberin mit ihrer Behauptung einer abweichenden Qualifikation keinen Erfolg, weil sie diesen Umstand im gerichtlichen Verfahren zunächst außen vorließ und erstmals in der Revision vortrug.
Auch nach Studium der Urteilsgründe bleibt es bei der Einschätzung, dass das Urteil empfindliche Einschnitte in die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers in Bezug auf Personen mit sich bringt, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben. Arbeitgeber sollten daher auch weiterhin ein besonderes Augenmerk auf die Verhandlung der Vergütung von Arbeitnehmern legen, die womöglich eine gleiche oder gleichwertige Arbeit ausüben.
Arbeitgeber sollten objektive Umstände, die dafürsprechen, dass es sich nicht um eine zumindest gleichwertige Arbeit handelt, vor Vertragsschluss dokumentieren. Sofern Personen tatsächlich eine zumindest gleichwertige Arbeit ausüben und gleichwohl abweichend vergütet werden, sollten objektive Differenzierungsgründe ebenfalls rechtzeitig und ausreichend dokumentiert werden. Arbeitgeber sind wohl beraten, etwaige objektiv verschlechterte Recruiting Chancen festzuhalten, die nicht nur auf ein besseres Verhandlungsgeschick der besser vergüteten Person zurückzuführen sind. Gleiches gilt für objektiv vorliegende Qualifikationsunterschiede.