Nachhaltige Fachkräfteeinwanderung?

Geschrieben von

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Benjamin Karcher

Counsel
Deutschland

Als Counsel und Fachanwalt für Arbeitsrecht in unserer Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht in Düsseldorf berate ich in- und ausländische Mandanten in allen Bereichen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

Nachhaltige Fachkräfteeinwanderung – geht das? Und wenn ja, wie?

 

 

Der Fachkräftemangel stellt Unternehmen seit längerer Zeit vor große Herausforderungen. Im Zusammenhang mit der Einwanderung von Fachkräften stellt sich bereits vor dem Einwanderungsprozess die Frage, wie man als Arbeitgeber potenzielle Fachkräfte auf sich und sein Unternehmen aufmerksam machen und gewinnen kann. Ist das Interesse des zukünftigen Arbeitnehmers geweckt, wartet bereits die nächste Hürde, die es zu meistern gilt – der Einwanderungsprozess.

Nachhaltige Rekrutierung aus dem Ausland

Um das Interesse von Fachkräften an einem Arbeitsverhältnis mit einem deutschen Unternehmen zu wecken und zu fördern, ist das Auftreten und Image eines Unternehmens von großer Bedeutung. Mitarbeiter identifizieren sich immer stärker mit den Unternehmenszielen und den Werten, die das Unternehmen vertritt, sind aber gleichzeitig so flexibel und wechselwillig wie nie. Die Unternehmensethik wird damit zu einem bedeutsamen Faktor im Rahmen der Personalgewinnung. Bewerber haben auf Grund des Bedarfs an qualifizierten Arbeitskräften und dem dadurch entstehenden Überangebot an Arbeitsplätzen höhere Ansprüche an ihren zukünftigen Arbeitgeber, Arbeitsplatz und ihr Arbeitsumfeld.

Um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten und insbesondere Fachkräfte auf sich aufmerksam zu machen, ist daher die Ausrichtung des Unternehmens nach ESG-Kriterien von besonders hoher Relevanz. Internationale und interkulturelle Teams haben sich für viele Bewerber als besonders interessant erwiesen. Gleichberechtigung und Chancengleichheit spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle.

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung

Gleichzeitig müsste Deutschland auch für Fachkräfte attraktiver und v.a. administrativ effizienter werden.

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung, flankiert von der dazugehörigen Verordnung, soll dem Fachkräftemangel begegnet werden. Im Idealfall wird durch die zahlreichen gesetzlichen Änderungen künftig die Einreise jener Fachkräfte vereinfacht, die Deutschland dringend benötigt. Die Fachkräfteeinwanderung soll dabei zukünftig auf drei Säulen basieren: der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule. Die wesentlichen Änderungen sollen nachfolgend auf einen Blick dargestellt werden (geordnet nach den von der Bundesregierung so erfundenen jeweiligen „Säulen“):

1. Fachkräftesäule (Qualifikation)

  • Jede qualifizierte Fachkraft kann künftig nahezu jede Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen ausüben. Damit entfällt das bisher bestehende Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen der Qualifizierung und der Beschäftigung.
  • Ferner gibt das Gesetz Fachkräften mit Berufsausbildung oder akademischer Ausbildung bei Vorliegen aller Voraussetzung künftig einen Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels.
  • Darüber hinaus können Ausländer, die einen Aufenthaltstitel nach §§ 18a, 18b, 18d oder 18g AufenthG besitzen und weder eine Berufsausbildung noch ein Studium im Inland absolviert haben, eine Niederlassungserlaubnis bereits nach drei statt bisher vier Jahren erhalten.

Änderungen wurden insbesondere auch rund um die – praktisch immens wichtige – Blaue Karte EU vorgenommen:

  • Die Mindestgehaltsschwelle für Regelberufe wurde auf 50 % und für Engpassberufe auf 45,3 % der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung gesenkt, d.h. aktuell: 43 800 Euro brutto im Jahr für Regelberufe und 39.682,80 Euro brutto im Jahr für Engpassberufe.
  • Die Anzahl der Engpassberufe, für die die niedrigere Gehaltsschwelle greift, wurde deutlich erhöht.
  • IT-Spezialisten wird es ermöglicht, die Blaue Karte EU auch ohne einen Hochschulabschluss zu erhalten.
  • Ferner wurden Regelungen geschaffen, die einen erleichterten Erhalt der Blauen Karte EU für Berufseinsteiger vorsehen. Berufsanfänger kommen in den ersten drei Jahren nach dem Abschluss eines Hochschulstudiums in den Genuss der niedrigeren Mindestgehaltsschwelle, die für die Ausübung eines Engpassberufes gilt (Mindestgehalt aktuell: 39.682,80 Euro brutto im Jahr).
  • Das Gesetz führt auch die kurz- und langfristige Intra-EU-Mobilität für grenzenloses Arbeiten in der EU ein.

2. Erfahrungssäule

  • Der Berufserfahrung wird eine neue Bedeutung zuteil. Die Einreise und Aufnahme einer qualifizierten Beschäftigung erfordert nunmehr keinen in Deutschland (formal) anerkannten Abschluss, sofern berufspraktische Erfahrungen im geforderten Maß vorliegen.
  • Ferner wurde eine Reduzierung der notwendigen Berufserfahrung für IT-Spezialisten vorgenommen.
  • Mit der sog. Anerkennungspartnerschaft schafft das Gesetz darüber hinaus einen neuen Aufenthaltstitel, der eine begleitende Anerkennung in Deutschland und damit erst nach Einreise ermöglicht.

3. Potenzialsäule

  • Neben der Anerkennungspartnerschaft wurde die „Chancenkarte“ als neuer Aufenthaltstitel eingeführt. Sie ermöglicht insbesondere die Suche nach einem Arbeitsplatz in Deutschland.

Zusammenfassung

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung sieht damit grundsätzlich eine Vielzahl von Änderungen vor, die sich in ihrer Effektivität erst noch beweisen müssen. Fachkräfte können aber auch durch (positive) Unternehmensberichterstattung angelockt und die langfristige Mitarbeiterbindung gefördert werden.

Im besten Fall führt ESG-Compliance im Hinblick auf die Fachkräfteeinwanderung dazu, dass die Fachkräfte auf einen Arbeitgeber in Deutschland aufmerksam werden, sich bewerben, das durch ihn geschaffene Arbeitsumfeld wertschätzen und einen dauerhaften Verbleib im Arbeitsverhältnis anstreben. ESG-Compliance sowie auch Hilfestellungen bei der Einwanderung bieten daher für Unternehmen neben – unbestrittenem – Aufwand gleichzeitig die Chance die Fachkräfteeinwanderung und Personalstruktur nachhaltig zu fördern und sich und Deutschland insgesamt wieder wettbewerbsfähiger zu machen.

Dass hierfür auch behördliche Prozesse verschlankt und effizienter gestaltet werden müssen, ist offenkundig.

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