Am 11. Mai hat das BMAS seinen Referentenentwurf zum Tariftreuegesetz veröffentlicht. Danach sollen Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die sich an die festgelegten Arbeitsbedingungen der einschlägigen Tarifverträge halten.
Sinn und Zweck ist es, die Tarifautonomie, Tarifpartner und die Tarifbindung zu stärken und faire Löhne zu gewährleisten. Grund dafür sind die seit langem rückläufigen Zahlen tarifgebundener Arbeitnehmer:innen.
Erfasst werden sollen alle öffentlichen Aufträge und Verträge ab einem geschätzten Wert von EUR 10.000. Grundsätzlich ist der Entwurf des Bundestariftreuegesetzes (BTTG-E) nicht auf eine bestimmte Branche beschränkt und gilt entsprechend für alle Vergabeverfahren. Jedoch legt § 1 Abs. 3 BTTG-E iVm. §§ 107 bis 109, 116, 117, 137 bis 140, 145, 149 und 150 GWB umfangreiche Ausnahmen fest. Als Beispiel sind hier zu nennen, Rechtsdienstleistungen gem. § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB, öffentlich-rechtliche Arbeitsverträge gem. § 107 Abs. 1 Nr. 3 GWB und finanzielle Dienstleistungen bzgl. Wertpapieren gem. § 116 Abs.1 Nr. 3 GWB.
Zukünftig wird für Auftragnehmer:innen ein Tariftreueversprechen für die Auftragserteilung als Voraussetzung gelten. Mit diesem verpflichten sich die Auftragnehmer:innen zum einen dazu, die vom BMAS festgelegten Arbeitsbedingungen für die Dauer der Leistungserbringung einzuhalten und zum anderen müssen sie gewährleisten, dass etwaige von ihnen beauftragte Nachunternehmer und Verleiher ebenfalls diese Arbeitsbedingungen einhalten.
Das BMAS legt auf Antrag einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern die für die Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen geltenden Arbeitsbedingungen per Rechtsverordnung fest, sofern diese Gegenstand, eines von der Antragstellerin mit einer Gewerkschaft oder einer Vereinigung von Arbeitgebern abgeschlossenen Tarifvertrages sind. Hierin liegt auch die Beantwortung der Frage:
„Was gilt für tariflose Branchen?“
Da für diese keine Tarifverträge bestehen, kann dementsprechend auch kein Antrag gestellt werden, weshalb es dem BMAS nicht möglich ist, verbindliche Arbeitsbedingungen per Rechtsordnung festzulegen.
Ob Auftragnehmer bzw. dessen Nachunternehmer die Arbeitsbedingungen auch gewährleisten, wird gem. § 7 Abs. 1 BTTG-E durch die Vergabestellen des Bundesauftraggebers stichprobenartig kontrolliert. Eine Kontrolle muss in jedem Fall stattfinden, wenn Hinweise Dritter einen Verstoß nahelegen.
In Zukunft sind Unternehmen zusätzlich dazu verpflichtet, die Einhaltung des Treuepflichtversprechen nachzuweisen. Die Nachweispflicht gem. § 8 Abs. 1 BTTG-E trifft auch Nachunternehmer:innen und beauftragte Verleiher:innen für die bei ihnen geltenden Bedingungen. Zum Nachweis geeignet sind laut § 8 Abs. 1 BTTG-E Dokumente, die die Einhaltung belegen. Eine nähere Konkretisierung nimmt der Entwurf jedoch nicht vor, damit bleibt unklar in welchem Ausmaß der:die Auftragnehmer:in Dokumente vorzulegen hat. Betroffenen Unternehmen wird gem. § 9 BTTG-E die Möglichkeit gegeben, sich von den Nachweispflichten mittels eines Präqualifizierungsverfahren zu befreien. Auch hier lässt der Entwurf offen, in welchem Umfang der Auftragnehmer die Einhaltung nachzuweisen hat.
Um Tariftreue zu gewährleisten, legt der Entwurf ein dreigliedriges System von Sanktionen für Verstöße fest.
Der neue Entwurf wird betroffene Unternehmen vor einige Herausforderungen stellen. Nicht nur die wirtschaftliche Belastung durch vorgegebene Arbeitsbedingungen wird Probleme bereiten. Auch die Schaffung neuer Bürokratie durch die Nachweispflichten wird einen hohen Aufwand darstellen, insbesondere weil noch nicht absehbar ist, welchen Umfang diese beanspruchen werden.
Unternehmen sollten sich schon vorab darüber informieren, welche Tarifverträge für ihre Branche gelten und welche Arbeitsbedingungen sie zukünftig gewährleisten müssen. Auch vor dem Hintergrund, dass Unternehmen für ihre Nachunternehmer haften, ist ein frühzeitiger Handlungsbedarf gegeben. So können sie ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Vergabeverfahren verhindern.
Positiv ist, dass das Gesetz keine Tarifbindung für tariflose Branchen vorsieht, sodass das Gesetz keine Auswirkung auf diese hat.
Laut Aussage des BMAS soll das Gesetz bis Januar 2024 Inkrafttreten. Ein genauer Zeitplan ist noch nicht absehbar. Ob und wieweit noch Änderungen am Entwurf geschehen, wird sich im Gesetzgebungsprozess zeigen.