Mit Wirkung zum 1. Januar 2025 tritt das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) in Kraft, welches eine wesentliche Neuerung für den Gewerbemietmarkt mit sich bringt: Die Abschaffung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge.
Bisher unterliegen Gewerbemietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr einem strengen Schriftformerfordernis. Wird dieses nicht eingehalten, gilt der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Der Mietvertrag ist damit trotz etwaig vereinbarter Festlaufzeit mit gesetzlicher ordentlicher Kündigungsfrist kündbar.
Ab Inkrafttreten des BEG IV gilt, dass Gewerbemietverträge, die für eine längere Laufzeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen werden, als für eine unbestimmte Laufzeit geschlossen gelten.
Das Schriftformerfordernis für Wohnraummietverträge mit einer Laufzeit von über einem Jahr bleibt hiervon unberührt.
Die Reform zielt auf die Erleichterung von digitalen Vertragsabschlüssen ab, was durch die Absenkung von Formerfordernissen erreicht werden soll.
Zudem sollen Kündigungen von Gewerbemietverträgen wegen Formverstößen reduziert werden. Das bisherige Schriftformerfordernis sollte historisch in erster Linie dem Schutz des Erwerbers einer vermieteten Immobilie dienen, der in die Rechte und Pflichten des bisherigen Vermieters eintritt. Dem Erwerber wurde so die Möglichkeit gegeben, sich von einem Mietvertrag zu lösen, über dessen Inhalt er keine vollständige Kenntnis hatte, weil der Mietvertrag oder eine Zusatzvereinbarung nicht schriftlich abgeschlossen wurden oder nicht vollständig alle wesentlichen Mietbedingungen enthalten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs galt dieses Kündigungsrecht jedoch nicht nur für Erwerber, sondern auch generell für die Mietvertragsparteien. Dies führte in der Praxis dazu, dass Vermieter und Mieter gleichermaßen Mietverträge aufgrund eines Schriftformverstoßes vorzeitig, also vor Ablauf einer vereinbarten Festlaufzeit, beenden konnten. Mit der Herabstufung auf ein Textformerfordernis sollen solche Fälle verringert werden.
Die Textform (§ 126b BGB) verlangt, dass eine Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger festgehalten wird, wie beispielsweise in einer E-Mail, einem PDF-Dokument oder auf einem USB-Stick. Der Erklärende muss erkennbar sein. Zudem muss das Ende der Erklärung und ihre Vollständigkeit ersichtlich sein, zum Beispiel durch die Angabe des Namens, eine eingescannte Unterschrift, eine Grußformel oder den Hinweis „Diese Erklärung ist nicht unterschrieben“.
Die Vereinfachung der Formvorschrift von Schriftform auf Textform wird das Abschließen von Gewerbemietverträgen erleichtern und deutlich beschleunigen, birgt jedoch auch Unsicherheiten.
Beispielsweise könnte es für einen Erwerber von Immobilien schwieriger werden, den vollständigen Inhalt eines Mietvertrages zuverlässig zu erfassen. Dies gilt insbesondere, wenn wesentliche Vertragsänderungen per E‑Mail oder über andere Kommunikationsmittel in Textform getroffen worden sind.
Aus dem Schriftformerfordernis wurde ursprünglich die Verpflichtung zur Urkundeneinheit abgeleitet. Dies bedeutete, dass sämtliche Anlagen, Nachträge und ergänzenden Vereinbarungen mit der Ursprungsurkunde des Mietvertrags verbunden sein mussten, um die Schriftform zu wahren, wobei eine „gedankliche Verbindung“ ausreichte, etwa durch explizite Verweise und gegebenenfalls Rückverweise zwischen den Vertragsdokumenten.
Die Gesetzesbegründung zum BEG IV deutet darauf hin, dass der Erwerberschutz auch im Zusammenhang mit der Textform gewahrt bleiben soll, was für eine Beibehaltung des Erfordernisses der Urkundeneinheit spricht. Das bedeutet, dass auch ein in Textform abgeschlossener Gewerbemietvertrag alle wesentlichen Vertragsbedingungen enthalten muss und Nachträge, Ergänzungen oder Zusatzvereinbarungen eine konkrete und erkennbare Verknüpfung zum Mietvertrag erfordern. Lose formulierte E-Mails, umfangreiche, unübersichtliche E-Mail-Verläufe oder ähnliche Kommunikation zwischen den Parteien dürften das Risiko bergen, die rechtlich bindenden Absprachen nicht eindeutig identifizierbar zu machen und damit die angestrebte Rechtssicherheit nicht zu gewährleisten.
Häufig enthalten Mietverträge sog. Schriftformklauseln, wonach Vertragsänderungen nur schriftlich erfolgen dürfen.
Handelt es sich um sog. doppelte Schriftformklauseln, die ausdrücklich vorsehen, dass auch die Änderung der Schriftformklausel selbst nur schriftlich erfolgen darf, kann von diesem Formerfordernis nicht ohne weiteres abgewichen werden.
Handelt es sich bei der doppelten Schriftformklausel jedoch um eine AGB-Klausel, so kann von dem Schriftformerfordernis durch eine vorrangig gültige Individualabrede (§ 305b BGB) - auch mündlich oder stillschweigend, durch Abgabe einer formlosen vertragsändernden Erklärung - abgewichen werden. Solche formlosen Erklärungen verstießen bisher gegen das gesetzliche Schriftformerfordernis der §§ 550, 126 BGB, mit der Folge der vorzeitigen Kündbarkeit des Mietvertrages. Mit dem BEG IV entfällt nun bei Erklärungen in Textform dieses Risiko der vorzeitigen Kündbarkeit.
Für bereits vor Inkrafttreten des BEG IV abgeschlossene Gewerbemietverträge gilt eine einjährige Übergangsfrist, während der solche Altverträge nach wie vor wegen Schriftformmängeln gekündigt werden können. Nach Ablauf der Übergangsfrist können auch Altverträge im Hinblick auf Formverstöße nur noch wegen eines etwaigen Textformverstoßes vorzeitig gekündigt werden. Es steht den Parteien jedoch frei, schon vor Ablauf der Übergangsfrist eine Kündigung von Altverträgen wegen Schriftformverstößen mietvertraglich auszuschließen.
Die Reform des Schriftformerfordernisses bei Gewerbemietverträgen bietet für Vermieter und Mieter mehr Flexibilität und Schnelligkeit bei Vertragsabschlüssen. Elektronische Abschlüsse von Langzeitmietverträgen z.B. durch Austausch von Scankopien handschriftlich unterschriebener Dokumente oder durch (nicht notwendigerweise qualifizierte) elektronische Signaturen werden rechtssicher möglich.
Bei Neuverträgen ist zu erwägen, eine qualifizierte Textform zu vereinbaren, um die rechtlich bindende Kommunikation für Zusatz- und Nachtragsvereinbarungen klar zu gestalten, z.B. indem vereinbart wird, dass rechtsverbindliche Vertragserklärungen jedenfalls eine eingescannte Unterschrift oder elektronische Signatur erfordern oder einen ausdrücklichen Hinweis wie etwa „rechtsverbindliche Vertragserklärung“ enthalten müssen.
Erwerber von vermietetem Grundbesitz sollten noch aufmerksamer die Gesamtheit der Mietvertragsdokumentation bewerten und ggfs. den Katalog der Zusicherungen des Veräußerers im Grundstückskaufvertrag erweitern bzw. die Vollständigkeit der Mietvertragsdokumentation von Mietern bestätigen lassen.