Erstes Urteil zu Rechten des Betriebsrats bei Einsatz von künstlicher Intelligenz

Geschrieben von

florian kessenich module
Dr. Florian Keßenich

Counsel
Deutschland

Als Spezialist für Arbeitsrecht in unserem Hamburger Büro und Mitglied der Praxisgruppe Internationales Arbeitsrecht berate ich in sämtlichen Bereichen des individual- und kollektivrechtlichen Arbeitsrechts, häufig grenzüberschreitend. MandantInnen schätzen meine Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Hintergrund ihrer Fragestellungen, die zu einer lösungsorientierten und pragmatischen Beratung führt.

Arbeitgeber brauchen nicht die Zustimmung des Betriebsrates, um ihren Mitarbeitern die (freiwillige) Nutzung von ChatGPT am Arbeitsplatz zu gestatten, soweit diese ihre privaten Accounts benutzen. Dies urteilte das Arbeitsgericht Hamburg am 16. Januar 2024 (Az.: 24 BVGa 1/24).

Erstes Urteil im Bereich KI am Arbeitsplatz

Der Betriebsrat berief sich in seinem Antrag darauf, durch die Erlaubnis der Nutzung von ChatGPT in seinen Rechten auf Mitbestimmung grob verletzt worden zu sein. Der Arbeitgeber hatte zuvor seinen Mitarbeitern erlaubt, ChatGPT als Hilfsmittel zu nutzen, sofern diese ihre privaten Accounts benutzten. Das Arbeitsgericht Hamburg hat den Antrag abgelehnt es sah keine Verstöße gegen die in § 87 BetrVG festgehaltenen Mitbestimmungsrechte, denn die KI-Anwendung sei von den Mitarbeitern freiwillig und ausschließlich über den Browser genutzt worden. Deswegen sah das Arbeitsgericht keine Gefahr eines möglicherweise entstehenden Überwachungsdrucks, da der Arbeitgeber keinen Zugriff auf die vom KI-Betreiber gesammelten Daten habe. Damit war das Arbeitsgericht Hamburg, soweit ersichtlich, das erste Arbeitsgericht, das zum Thema Mitbestimmung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz umfangreich Stellung nahm.

Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz

Die Nutzung künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz ist ein neues Themengebiet, in dem es noch wenig Rechtsprechung gibt. Dem Urteil lässt sich aber entnehmen, dass der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht hat, wenn die Mitarbeiter freiwillig KI-Tools über ihre privaten Accounts nutzen. Dem ist zuzustimmen und das Urteil gibt Gelegenheit, sich die Rechte des Betriebsrates im Zusammenhang mit KI-Anwendungen näher anzuschauen. Mit dem Betriebsrätemodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2021 das Betriebsverfassungsgesetz in Hinblick auf KI erweitert, sodass sich momentan folgendes (nicht abschließendes) Bild ergibt:

  • Grundsätzlich hat der Betriebsrat bei der Einführung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ein Recht auf Mitbestimmung. Dies gilt grundsätzlich ebenso für KI-Anwendungen und die arbeitgeberseitige Einführung nahezu aller KI-Lösungen dürfte hierunter fallen.

Da nach der Rechtsprechung der Betriebsrat kein Initiativrecht bei der Einführung von technischen Einrichtungen hat, muss dies konsequenterweise auch für KI-Systeme gelten und Betriebsräte können nicht einfordern, dass KI am Arbeitsplatz genutzt werden muss.

  • Gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig zu unterrichten, wenn er plant, KI-Systeme im Unternehmen einzusetzen.
  • Gemäß § 80 Abs. 3 S. 2, S. 3 BetrVG darf der Betriebsrat Sachverständige hinzuziehen, um die Einführung und Anwendung von KI-Systemen zu beurteilen.
  • Gemäß § 95 BetrVG kann der Betriebsrat bei Auswahlrichtlinien, zum Beispiel für Einstellungen oder Kündigungen, mitentscheiden. Dabei regelt § 95 Abs. 2 BetrVG,

    dass die Rechte des Betriebsrats bei der Aufstellung von Auswahlkriterien auch dann gelten, wenn bei der Aufstellung dieser Richtlinien eine KI zum Einsatz kommt.

  • Der Betriebsrat hat zudem ein allgemeines Mitbestimmungsrecht, wenn es um Fragen des Gesundheitsschutzes oder Änderungen der Arbeitsmethoden geht. In Fällen, in denen sich durch den Einsatz von KI wesentlich die Arbeitsprozesse der Mitarbeiter ändern, kann auch eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG einschlägig sein und ggf. ist die Verhandlung eines Interessensausgleichs sowie Sozialplans erforderlich.

Ausblick

Momentan befindet sich die arbeitsrechtliche Praxis in Bezug auf KI in einem Umbruch. Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Unternehmen aufgenommen wird. Es ist nicht auszuschließen, dass einige Betriebsräte der Einführung von KI abgeneigt sind, weil die damit zusammenhängenden Gefahren und Risiken noch nicht abschließend beurteilt werden können. In einigen Unternehmen werden aber bereits die ersten Vereinbarungen zu KI-Systemen zwischen den Betriebspartnern verhandelt. Letzteres ist aber aus Arbeitgebersicht zumindest dann nicht notwendig, wenn die Mitarbeiter freiwillig KI-Systeme über private Accounts nutzen. Allerdings ist in diesem Szenario nicht auszuschließen, dass vertrauliche Informationen und Daten an die Öffentlichkeit gelangen (z.B. weil die KI mit den Daten des privaten User-Accounts lernt und bei einer anderen externen Nutzeranfrage weitergibt). Arbeitgebern ist aus diesem Grund angeraten, den Mitarbeitern nur die Nutzung von arbeitgeberseitig gestellten KI- und IT-Systemen und Accounts zu erlauben, weil nur so kann – wenn überhaupt – die Weitergabe von vertraulichen Informationen ausgeschlossen werden.

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