Die Bundesregierung legt dem Bundestag gemäß § 10 Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) jährlich einen Klimaschutzbericht vor, aus dem sich die Entwicklung der Treibhausgasemissionen ergibt. Aus der Unterrichtung1 geht hervor, dass Deutschlands Treibhausgasemissionen auch im Jahr 2023 weiter gesunken sind. Dennoch sind sie mit erheblichen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Laut dem Umweltbundesamt verursacht 1 Tonne CO2 gesellschaftliche Kosten in Höhe von 250 Euro2. In dieser Berechnung werden auch die volkswirtschaftlichen Folgekosten des Klimawandels berücksichtigt, welche vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bis 2050 auf 280 Mrd. bis 900 Mrd. Euro geschätzt werden. Die öffentliche Hand kann die Reduzierung von Treibhausgasemissionen fördern, indem sie bei Beschaffungsvorgängen einen größeren Wert auf Nachhaltigkeit setzt und einen sog. CO2-Schattenpreis bei der Vergabeentscheidung in öffentlichen Vergabeverfahren berücksichtigt.
Der CO2-Schattenpreis gibt den CO2-Emissionen (und weiteren klimaschädlichen Treibhausgasen, sog. CO2-Äquivalenten) einen fiktiven Preis, welcher auch die Folgeschäden des CO2-Ausstoßes eines Produktes oder einer Lösung abbildet. Er ist nicht zu verwechseln mit der direkten Angabe der CO2-Emissionen. Diese sind zwar Grundlage für die Berechnung des CO2-Schattenpreises, können jedoch zusätzlich bzw. neben diesem berücksichtigt werden.
Für Bundesbehörden ist die Pflicht zur Einbeziehung des CO2-Schattenpreises in § 13 Abs. 1 S. 3 KSG gesetzlich verankert. Danach haben Träger öffentlicher Aufgaben auf Bundesebene bei der Planung, Auswahl, Beschaffung und Durchführung von Investitionen zur Vermeidung oder Verursachung von Treibhausgasemissionen einen CO2-Preis (mindestens der nach § 10 Abs. 2 des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) gültige Mindestpreis oder Festpreis) zugrunde zu legen. Dieser liegt für das Jahr 2024 bei 45 Euro und für das Jahr 2025 bei 55 Euro pro Emissionszertifikat. Wobei sich erst aus der Gesetzesbegründung ergibt, dass mit diesem „CO2-Preis“ der CO2-Schattenpreis gemeint ist.3
Das KSG regelt zwar eine Einbeziehungspflicht, definiert jedoch dabei nicht, auf welche Weise der CO2-Schattenpreis im Vergabeverfahren berücksichtigt werden soll. Die Art der Berücksichtigung und Bewertung des CO2-Schattenpreis liegt im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers. Eine Hilfestellung diesbezüglich bietet § 2 Abs. 1 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima), die das KSG konkretisiert und eine besondere Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorsieht. Danach haben Dienststellen des Bundes nach der Feststellung eines Bedarfs gemäß § 6 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach § 7 Abs. 2 BHO anzuschließen, in die eine Prognose der verursachten Treibhausgasemissionen während des gesamten Lebenszyklus einbezogen werden soll, soweit dies mit vertretbarem Aufwand möglich ist. Die Prognose der verursachten Treibhausgasemissionen erfolgt in der Regel auf der Grundlage von Vorgaben des Umweltbundesamtes. Nach § 2 Abs. 2 der AVV Klima ist dabei stets die Beschaffungsvariante zu wählen, mit der die Minderung von Treibhausgasemissionen über die gesamte Nutzungsdauer zu den geringsten Kosten erreicht werden kann, soweit die dadurch verursachten Mehraufwendungen nicht außer Verhältnis zu ihrem Beitrag zur Treibhausgasminderung stehen.
Die o.g. Vorschriften betreffen ausschließlich die Bundesebene. Die Kompetenzen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände bleiben gem. § 13 Abs. 1 S. 2 KSG unberührt. Es steht ihnen frei, in ihrem Verantwortungsbereich eigene Regelungen vorzusehen. So hat das Land Baden-Württemberg als erstes Bundesland mit Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes zum 01. Juni 2023 (KlimaG BW) einen verbindlichen Schattenpreis für CO2 eingeführt, der bei Bauvorhaben zwingend zu berücksichtigen ist (vgl. § 8 Abs. 1 KlimaG BW). Dieser entspricht dem vom Umweltbundesamt wissenschaftlich ermittelten und empfohlenen Wert für jede über den Lebenszyklus der Maßnahme entstehende Tonne Kohlenstoffdioxid. Bei der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen durch das Land soll der CO2-Schattenpreis ebenfalls angewendet werden. Insoweit soll nach Ziffer 5.2 der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge vom 23. Juli 2024 (VwV Beschaffung) bei der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen durch das Land im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ein rechnerischer CO2-Schattenpreis veranschlagt werden, der dem vom Umweltbundesamt wissenschaftlich ermittelten und empfohlenen Wert für jede über den Lebenszyklus der Maßnahme entstehende Tonne (CO2) entspricht. Ausnahmen kommen nur bei Beschaffungen mit einem Auftragswert von unter 100.000 Euro ohne Umsatzsteuer in Betracht, oder wenn keine verlässlichen und belastbaren Hilfestellungen für die Berechnung von CO2-Emissionen der beschafften Leistungen oder Produktgruppen verfügbar sind.
Auch das Land Niedersachsen hat in Ziffer 5.6.2 der eigenen Verwaltungsvorschriften zur nachhaltigen Beschaffung (VV-NB) eine Anwendbarkeit des CO2-Schattenpreises mindestens in Höhe des nach § 10 Abs. 2 BEHG gültigen Mindestpreises oder Festpreises bestimmt, jedoch nur im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und nur soweit die monetäre Bewertung der Treibhausgasemissionen möglich ist.
Die Berücksichtigung von Schattenpreisen im Rahmen der öffentlichen Beschaffung kann insbesondere aus haushaltsrechtlicher Sicht fraglich sein, wenn hierdurch eine besonders günstige und wirtschaftliche Lösung durch die Hinzurechnung von fiktiven CO2-Kosten künstlich teurer gemacht wird.
Der Bundesrechnungshof hat jedoch bereits im Jahr 2022 betont, dass Nachhaltigkeit – und damit auch der Klimaschutz – bei der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung nach § 7 BHO stets zu berücksichtigen ist. Dies könne durchaus dazu führen, „dass unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten eine Handlungsalternative wirtschaftlich ist, die ohne Berücksichtigung dieser Aspekte, aufgrund der mit ihren verbundenen Mehrausgaben, unwirtschaftlich gewesen wäre.“ 4 Diesem Grundsatz dürfte der Bundesrechnungshof auch weiterhin folgen, da die „Wirtschaftlichkeitsuntersuchung die Entscheidung über eine finanzwirksame Maßnahme vorbereiten [soll]. In ihr sind alle entscheidungsrelevanten Faktoren – und damit auch Nachhaltigkeitsaspekte – zu berücksichtigen.“.5
Dementsprechend dürften keine grundsätzlichen haushaltsrechtlichen Bedenken gegen die Berücksichtigung des CO2-Schattenpreises in öffentlichen Vergabeverfahren bestehen, da die Nachhaltigkeit inzwischen einen anerkannten und notwendigen Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsbewertung ausmacht.
Unabhängig davon, an welcher Stelle oder in welcher Phase eines Vergabeverfahrens der CO2-Schattenpreis von dem öffentlichen Auftraggeber berücksichtigt wird – bspw. als Bewertungs- oder Zuschlagskriterium bzw. als eine besondere Ausführungsbestimmung – müssen dabei die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung aus § 97 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zwingend eingehalten werden.
Sowohl bei der Einbeziehung des CO2-Schattenpreises als auch der CO2-Emissionen wäre daher zunächst zu prüfen, ob für die beschafften Leistungen überhaupt CO2-Emissionen oder CO2-Schattenpreise vorliegen oder kurzfristig durch die Bieter ermittelt werden können. Entsprechend sieht bereits die o.g. Ziffer 5.2 der VwV Beschaffung in Baden‑Württemberg vor, dass der CO2-Schattenpreis nicht zu veranschlagen ist, wenn keine verlässlichen und belastbaren Hilfestellungen für die Berechnung von CO2-Emissionen der Leistung bzw. Leistungs- oder zumindest Produktgruppe verfügbar sind.
Insgesamt sollte darauf geachtet werden, dass in den Vergabeunterlagen für die Angabe der CO2-Emissionen sowie für die Angabe des CO2-Schattenpreises genaue Vorgaben zur Berechnung gemacht werden. Bei der Auswahl der Methode zur Berechnung des CO2-Schattenpreises muss der Auftraggeber beachten, dass diese auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien beruht. So wäre z.B. anzugeben, ob bei IT-Hardware allein die Herstellung oder auch der Betrieb einzuberechnen ist. Für den Betrieb wäre dann wiederum ein konkreter relevanter Zeitraum anzugeben. Bei IT-Software dürfte die Berechnung wesentlich komplexer sein, da sich der CO2-Schattenpreis nicht allein anhand der eingesetzten Software, sondern eben auch aus der verwendeten Hardware ergibt, sodass hier ggf. eine Beispielkonfiguration vorzugeben wäre. Bei Dienstleistungen dürfte sich die Berechnung des CO2-Schattenpreises noch einmal deutlich schwieriger darstellen, da ggf. variierende Wegstrecken und Remote-Arbeit einzuberechnen wären, sodass auch hier ein eindeutiger Rahmen zu definieren wäre. Deutlich einfacher dürfte es bei Produkten wie z.B. Möbeln, Schreibwaren, Büchern oder auch Bekleidung sein, wobei auch hier die CO2-Emissionen über die gesamte Lieferkette zu berücksichtigen sind. Gleichzeitig ist darauf zu achten, dass eine vollständige Einbeziehung jeder CO2 verursachenden Position vergaberechtlich nicht zwingend erforderlich sein dürfte. Die Anforderungen müssen jedoch zumindest transparent und diskriminierungsfrei beschrieben sein, damit die Angebote unter Berücksichtigung der CO2-Emissionen im vergaberechtlichen Sinne vergleichbar sind.
Der CO2-Schattenpreis darf bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote herangezogen werden.6 Dabei ist jedoch stets zu berücksichtigen, dass es sich bei dem CO2-Schattenpreis um einen fiktiven Preis handelt, der zwar die Klimafolgekosten abbilden und den Wertungspreis hierdurch entsprechend erhöhen soll, aber vom Auftraggeber gerade nicht an den Auftragnehmer zu bezahlen ist.
Die öffentlichen Auftraggeber haben die Möglichkeit, den Schattenpreis neben der Qualität der Leistung und dem faktischen Angebotspreis als eigenes Zuschlagskriterium festzulegen. Alternativ kann der CO2-Schattenpreis als eine zusätzliche Preisposition im Preisblatt aufgenommen werden.
Soweit der CO2-Schattenpreis als eigenes Zuschlagskriterium (CO2-Schattenangebotspreis) bestimmt wird, kommt die folgende Berechnung:
CO2-Schattenangebotspreis =
CO2-Menge x CO2-Schattenpreis
in Frage, wo die CO2-Menge in Tonnen vom Bieter abhängig von der angebotenen Leistung ermittelt und angegeben werden muss und der maßgebliche CO2-Schattenpreis in Euro/Tonne CO2-Emission von dem öffentlichen Auftraggeber in den Vergabeunterlagen vorgegeben wird.
Sofern der CO2-Schattenpreis im Rahmen des preislichen Zuschlagkriteriums berücksichtigt werden soll, bietet sich die nachfolgende Berechnung an:
Wertungspreis = Angebotspreis + CO2-Schattenangebotspreis
wo der Angebotspreis die Summe sämtlicher Preispositionen des jeweiligen Angebots in Euro und der CO2-Schattenangebotspreis der fiktive Aufpreis in Euro entsprechend der o.g. Berechnungsmethode darstellt.
Da dem öffentlichen Auftraggeber bei der Definition der Zuschlagskriterien ein nur beschränkt überprüfbares Bestimmungsrecht zusteht, kann dieser den maßgeblichen CO2-Schattenpreis selbst vorgeben (vgl. die Position „CO2-Schattenpreis“ in der o.g. Berechnungsmethode). Diesbezüglich stellt sich für öffentliche Auftraggeber die Frage, welcher Wert hier im Einzelfall vergabe- und haushaltsrechtlich rechtssicher angesetzt werden kann. Weder das KSG noch die AVV Klima geben hier bestimmte Werte vor, sondern verweisen lediglich auf einen Mindestpreis, über welchen dementsprechend aber auch hinausgegangen werden darf (vgl. § 10 Abs. 2 BEHG). Dieser Mindestpreis liegt im Jahr 2024 bei 45 Euro und im Jahr 2025 bei 55 Euro je Tonne CO2. Das Umweltbundesamt hat im Juli 2024 einen deutlich höheren CO2-Schattenpreis i.H.v. 250 Euro/Tonne CO2 ermittelt, der u.a. deswegen kritisiert wird, weil dieser zu viele Effekte aus der Volkswirtschaft selbst und darüber hinaus abbildet.7 In der Praxis finden sich aktuell Berechnungen in einer Spanne von wenigen Euro bis zu mehreren Hundert Euro je Tonne CO2.8 Insoweit bleiben die ersten gerichtlichen Entscheidung abzuwarten, die vergaberechtlich zulässige Preise bestätigen bzw. ggf. konkretere Vorgaben für die Festlegung der maßgeblichen Schattenpreise definieren.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich jedenfalls aktuell die Orientierung an den o.g. gesetzlichen Mindestpreisen. Gleichzeitig dürfte es bei der Beschaffung von IT-Hardware-Produkten wie Laptops, PCs, Druckern, Mobiltelefonen oder Tablets aber auch bei Möbeln oder Schreibwaren zielführend sein, sich alternativ die CO2-Emissionen bzgl. der Herstellung und – soweit möglich – des Betriebs für eine bestimmte Laufzeit angeben zu lassen und diese im Rahmen der leistungsbezogenen Zuschlags- und Bewertungskriterien entsprechend zu bewerten.
Es ist zwar denkbar, bestimmte Mindestanforderungen an die CO2-Emissionen in Form eines konkreten Mindestschattenpreises in den Vergabeunterlagen als Ausschlusskriterium zu definieren. Auch hier wäre aber darauf zu achten, dass die Vorgaben transparent und für alle Bieter gleich sind und im Übrigen sowohl tatsächlich erfüllt werden können als auch verhältnismäßig (§ 97 Abs. 1 S. 2 GWB) sind.
Dennoch erscheint derzeit die Wertung von Emissionen im Rahmen der qualitativen Bewertungskriterien oder alternativ die Wertung des fiktiven CO2-Schattenpreises für die angebotene Lösung im Rahmen der preislichen Bewertungskriterien zielführender.
Als Ausführungsbestimmung dürfte sich der CO2-Schattenpreis lediglich in der Form von bestimmten Grenzwerten für die CO2-Emissionen an sich eignen.
Im Rahmen der Eignung dürfte weder die Einbeziehung der CO2-Emissionen noch des CO2-Schattenpreises der angebotenen Produkte bzw. Leistungen vergaberechtlich zulässig sein. Eignungskriterien müssen unternehmensbezogen und gerade nicht auftrags- bzw. produktbezogen sein. Nachhaltigkeitsaspekte können jedenfalls im Rahmen von Referenzen über erbrachte Leistungen mit Umweltbezug (vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 1 Vergabeverordnung (VgV)) berücksichtigt werden oder in Verbindung mit den nachfolgenden Eignungsanforderungen ggf. mit überprüft werden: Angabe der technischen Fachkräfte oder technischer Stellen, die bei der – besonders umweltfreundlichen – Leistungserbringung eingesetzt werden (vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 2 VgV); Beschreibung der technischen Ausrüstung in Verbindung mit Nachhaltigkeit (vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 3 VgV); Angabe des Lieferkettenmanagement und Lieferkettenüberwachungssystems, das dem Unternehmen zur nachhaltigen Vertragserfüllung zur Verfügung steht (vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 4 VgV) oder Angabe der Umweltmaßnahmen, die das Unternehmen während der Auftragsausführung anwendet (§ 46 Abs. 3 Nr. 7 VgV).
Anbieter besonders nachhaltiger Lösungen können sich berechtigterweise fragen, ob sie die Einbeziehung des CO2-Schattenpreises in einem Vergabeverfahren durch den öffentlichen Auftraggeber fordern dürfen, bzw. ob die Festlegung einer bestimmten Höhe des Schattenpreises angegriffen werden kann.
Ein Anspruch der Bieter auf die Einbeziehung des CO2-Schattenpreises in die Vergabeunterlagen dürfte aktuell abzulehnen sein. Beim KSG handelt es sich gerade nicht um eine Vergaberegelung, sondern um eine Norm des öffentlichen Rechts, die lediglich einen vergaberechtlichen „Reflex“, jedoch keinen subjektiven Rechtsanspruch enthält. Die Gesetzesbegründung zu § 13 KSG stellt diesbezüglich ausdrücklich klar, dass die Regelung keinen Drittschutz-Charakter aufweist,9 sodass sich die Bieter in einem Vergabeverfahren hierauf nicht aktiv berufen dürfen. Daran wird wohl auch die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum objektiven Belang des Klimaschutzes aus dem Jahre 202110 nichts ändern. Auch dort hat das BVerfG bestätigt, dass aus dem Staatsziel Umweltschutz des Art. 20a GG keine subjektiven Rechte abzuleiten sind.11 Die begrenzte Relevanz des Grundrechts auf intertemporale Freiheitssicherung (d.h. umgangssprachlich das Grundrecht auf Generationengerechtigkeit) wird schließlich durch die jüngste Entscheidung des BVerfG aus Januar 202212 bekräftigt. Da das Grundrecht auf intertemporale Freiheitssicherung keine „Durchschlagskraft“ auf die Klimaschutzziele auf Landesebene hat, muss dies erst recht für Einzelfallentscheidungen auf dem Gebiet des Vergaberechts gelten. Damit bleibt es dabei, dass § 13 KSG den Bietern keine subjektiven Rechte i.S.v. § 97 Abs. 6 GWB einräumt.13
Etwas anderes dürfte nur dann gelten, wenn sich der öffentliche Auftraggeber dazu entschieden hat, einen CO2-Schattenpreis in einem Vergabeverfahren zu berücksichtigen und diesen z.B. als Zuschlagskriterium definiert hat. In diesem Fall müsste die Bewertung des CO2-Schattenpreises den allgemeinen vergaberechtlichen Grundsätzen (Transparenz, Gleichbehandlung, Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit, Verhältnismäßigkeit) genügen. Insoweit könnte ein Bieter, dessen Angebot einen hohen CO2-Anteil hat, die Höhe des durch den öffentlichen Auftraggeber festgelegten Schattenpreises im Rahmen eines Vergabenachprüfungsverfahrens angreifen, da dieser im konkreten Vergabeverfahren Auswirkungen auf die Zuschlagschancen des Bieters hat. Durch die vergaberechtlichen Nachprüfungsinstanzen wäre dabei überprüfbar, ob die Bestimmung des CO2-Schattenpreises nicht willkürlich (d.h. sachlich gerechtfertigt) erfolgt ist, angemessen ist, einen Bezug zum Leistungsgegenstand aufweist und den Wettbewerb nicht unzulässig beschränkt.
Das Vergaberecht wird schon seit geraumer Zeit dafür genutzt, indirekt soziale oder nachhaltige Standards in Wirtschaft und Gesellschaft zu implementieren. Allerdings fehlt es diesbezüglich oft an konkreten Lösungen oder Handlungsvorschlägen, sodass öffentliche Auftraggeber bei der Umsetzung der gesetzlichen Ziele mit einer Vielzahl von ungeklärten Rechtsfragen konfrontiert werden.
Die Berücksichtigung des CO2-Schattenpreises stellt in dieser Hinsicht auch keine Ausnahme dar. Auch der brandaktuelle Referentenentwurf des Vergaberechtstransformationsgesetzes des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 30.09.2024 sieht in dem neu vorgesehenen § 120a GWB-E zwar Regelungen zum Einsatz sozialer und umweltbezogener Kriterien vor, geht auf den CO2-Schattenpreis jedoch nicht näher ein.
Der sichere Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten bleibt daher besonders innovativen öffentlichen Auftraggebern vorbehalten, die in unterschiedlichen Phasen der öffentlichen Beschaffung kreative und rechtssichere Lösungen einsetzen.
1 Vgl. BT Drs. 20/12760
2 Vgl. https://www.umweltbundesamt.de/daten/umwelt-wirtschaft/gesellschaftliche-kosten-von-umweltbelastungen#gesamtwirtschaftliche-bedeutung-der-umweltkosten.
3 Vgl. BT-Drs. 19/30230, S. 22; Fellenberg/Guckelberger, Klimaschutzrecht, 1. Auflage 2022, § 13 KSG Rn. 50.
4 Vgl. https://www.bundesrechnungshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Berichte/2022/nachhaltige-vergabe-bundesverwaltung-volltext.pdf?__blob=publicationFile&v=1.
5 Vgl. Ahmed Demir (Bundesrechnungshof) in: Kleine Kniffe, Das kommunale Magazin für einen nachhaltigen Einkauf, Ausgabe April 2024, https://www.yumpu.com/kiosk/nachhaltigebeschaffung/das-kommunale-magazin-fur-einen-nachhaltigen-einkauf-kleine-kniffe-ausgabe-april-2024/68685011.
6 Vgl. EuGH, Urt. v. 4. Dezember 2003 – C-448/01.
7 Vgl. Handbuch Nachhaltigkeit im Vergaberecht, 1. Auflage 2024, § 10 Wirtschaftlichkeit Rn. 141.
8 Vgl. Wirtschaftsdienst, 2022, 102 (13), 41 - 46.
9 Vgl. BT-Drs. 19/14337, 37.
10 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20.
11 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20.
12 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. Januar 2022 – 1 BvR 1565/21.
13 Vgl. NZBau 2022, 315.