Um eine Beschaffung nachhaltig und umweltverträglich zu gestalten, bietet es sich an, dass nicht nur die Anschaffungskosten, sondern sämtliche über den Lebenszyklus eines Produktes oder einer Leistung entstehenden Kosten in den Blick genommen werden.
Die Einbeziehung der Lebenszykluskosten (auch Life Cycle Costing (LCC) genannt) kann dazu führen, dass nachhaltige Produkte oder Leistungen – selbst bei höheren Anschaffungskosten – im Ergebnis doch die wirtschaftlichere Option darstellen. Regelmäßig verursachen günstigere Produkte oder Leistungen im Vergleich zu teureren Alternativen höhere Betriebs- und/oder Folgekosten. Diese können sich aus dem Verbrauch von Hilfsstoffen oder Energie während der Nutzungsphase, den Installations- und Wartungskosten sowie den Kosten am Ende der Nutzungsdauer ergeben. Insoweit kann es bei einzelnen Beschaffungsvorhaben sinnvoll sein, neben den alleinigen Anschaffungskosten die Betriebs- und Folgekosten zu berücksichtigen. Hierbei lässt das Vergaberecht auch die Berücksichtigung der mittelbaren Kosten in Form einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zu, die nicht nur den eigenen, sondern auch andere und insbesondere zukünftige Haushalte schonen kann.
Um die Lebenszykluskosten in ein Vergabeverfahren einzubeziehen, kann auf verschiedene Bewertungstools zurückgegriffen werden, welche diese berechnen. Dabei ist hier darauf zu achten, dass diese die vergaberechtlichen Vorgaben einhalten.
Bei der Einbindung der Lebenszykluskosten in Vergabeverfahren können verschiedene frei verfügbare Berechnungshilfen und -tools Hilfestellung bieten. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung klimafreundlicher Leistungen (AVV Klima) gibt die Anwendung von Lebenszykluskostenrechnern sogar vor, soweit solche vorhanden sind. Aktuell kann unter anderem auf die folgenden Tools verwiesen werden:
Weitere Hilfestellung kann die Norm DIN EN 60300-3-3: 2024 – Anwendungsleitfaden Lebenszykluskosten des Deutschen Instituts für Normung, die Richtlinie VDI 2884: 2005 des Vereins Deutscher Ingenieure e.V. – Beschaffung, Betrieb und Instandhaltung von Produktionsmitteln unter Anwendung von Life Cycle Costing, die Richtlinie VDI 2067: 2021 des VDI – Wirtschaftlichkeit Gebäudetechnischer Anlagen – Grundlagen- und Kostenberechnung sowie die Richtlinie VDMA 34160:2006 des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. – Prognosemodell für die Lebenskosten von Maschinen und Anlagen bieten.
Die Berücksichtigung der Kosten des Lebenszyklus kann in vergaberechtlich zulässiger Weise durch Aufnahme der Lebenszykluskosten in die Leistungsbeschreibung (§ 31 der Vergabeverordnung (VgV)), insbesondere auch als Ausschluss- oder Bewertungskriterien in die Bewertungsmatrix erfolgen. Außerdem besteht die Möglichkeit, diese Kosten als umweltbezogenes Zuschlagskriterium i.S.d. § 127 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) i.V.m. § 58 Abs. 1 VgV aufzunehmen. Weitere vergaberechtlichen Regelungen und Vorgaben finden sich hierzu in § 59 VgV sowie für nationale Vergabeverfahren (unterhalb der EU-Schwellenwerte) in § 43 Abs. 4 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO).
Bei der Bewertung von Lebenszykluskosten im Zuschlagskriterium „Kosten“ dürfen gemäß § 59 Abs. 2 VgV insbesondere die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
Bei der Nutzung der o.g. Bewertungstools zur Berechnung der Lebenszykluskosten muss allerdings berücksichtigt werden, dass deren Berechnungen in jedem Einzelfall von der Vergabestelle gesondert zu überprüfen sind. Es existieren insoweit keine anerkannten öffentlichen Stellen, welche allgemein die Konformität der o.g. Tools anhand der einschlägigen vergaberechtlichen Vorgaben überwachen. Letztendlich trägt daher der ausschreibende Auftraggeber die Verantwortung, dass die von ihm eingesetzte Methode zur Berechnung von Lebenszykluskosten auch anhand der Bewertungstools die vergaberechtlichen Anforderungen erfüllt.
Allgemein muss bei der Berücksichtigung der Lebenszykluskosten das Diskriminierungsverbot (Gleichbehandlungsgebot) des § 97 Abs. 2 GWB berücksichtigt werden, wonach es Auftraggebern untersagt ist, willkürliche Kriterien festzulegen, die ohne sachlichen Grund einzelne Bieter benachteiligen oder bevorzugen. Außerdem muss dem Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB dadurch Rechnung getragen werden, dass eine hinreichende Bestimmtheit und Verständlichkeit der aufgestellten Zuschlagskriterien, etwaiger Unterkriterien und damit auch der Berechnung der Lebenszykluskosten gewährleistet sind. Das bedeutet auch, dass für die Bieter erkennbar sein muss, wie deren Angebote bewertet werden. Außerdem müssen die Zuschlagskriterien wertungsfähig und objektiv sein, sowie mit dem Auftragsgegenstand sachlich in Verbindung stehen. Im Rahmen des Zuschlagskriteriums „Kosten“ sind bei der Berechnungsmethode der Lebenszykluskosten insbesondere die Vorgaben aus § 59 Abs. 3 VgV zu beachten.
Einer besonderen Betrachtung bezüglich der Einhaltung der vergaberechtlichen Grundsätze bedarf die Berücksichtigung von sog. externen Effekten der Umweltbelastung gem. § 59 Abs. 2 Nr. 5 VgV. Diese umfassen Aspekte des Lebenszyklus, die zahlenmäßig meist nur schwer greifbar sind. Hierbei kann es sich beispielsweise um durch Einleitung von Abwässern verursachte Belastungen in nachgelagerte Gewässer, Abgase von Verkehr und Industrie, der durch den Ausstoß von Schwefel verursachte, saure Regen oder die Emission von Treibhausgasen handeln. Der Gesetzgeber hat insbesondere für derartige Umweltauswirkungen in § 59 Abs. 3 VgV die nachfolgenden Anforderungen an die Berechnungsmethode aufgestellt:
Unter die o.g. externen Effekte fällt auch die – im Klimaschutzgesetz des Bundes (KSG) sowie in einzelnen Bundesländern vorgesehene – Einbeziehung des CO2-Schattenpreises. Hierzu mehr in unserem Artikel Möglichkeiten und Fallstricke bei der Einbeziehung des CO2-Schattenpreises in Vergabeverfahren.
Die Nutzung der o.g. Berechnungsmethoden für Lebenszykluskosten ist vergaberechtlich derzeit nicht zwingend vorgeschrieben. Bisher hat die Europäische Union auch keine verbindliche Berechnungsmethode vorgegeben. Dennoch bietet die Einbeziehung der Lebenszykluskosten in das Vergabeverfahren insbesondere als Zuschlagskriterium die Möglichkeit, sämtliche über den Lebenszyklus von Produkten oder Leistungen anfallenden relevanten Kosten zu erfassen und bei der Wirtschaftlichkeitsermittlung der Angebote zu berücksichtigen. Diese können auch gesamtgesellschaftliche Folgekosten wie den CO2-Schattenpreis umfassen. Bei der Einbeziehung der Lebenszykluskosten sind jedoch auch die vergaberechtlichen Grundsätze zu beachten. Da es in der vergaberechtlichen Rechtsprechung bisher sehr wenige Entscheidungen zu diesem Thema gibt, besteht ein gewisses Risiko bei ihrer Anwendung. Trotzdem ist es für Vergabestellen sinnvoll, sich mit den Lebenszykluskosten zu beschäftigen. Nur so können neben den Umweltauswirkungen auch die Betriebs- und Folgekosten ausreichend berücksichtigt werden, um das tatsächlich wirtschaftlichste Angebot auszuwählen.